RocketTutor will Lernen individueller und einfacher machen
Mathe gilt vielen Lernenden immer noch als Fach, das besonders viele Fragezeichen auslöst. Das universitäre Start-up RocketTutor will mit individueller Lernunterstützung und KI-Power der Mathematik ihren Schrecken nehmen. Wir haben uns mit Lionel Rühlemann aus dem Gründungsteam ausgetauscht und erfahren, was das Tool aktuell schon kann und welche Weiterentwicklungen noch denkbar sind.
Beschreibt uns doch bitte kurz, was RocketTutor ist!
RocketTutor ist ein intelligentes Tutoren- und Übungssystem, das alle Schülerinnen und Schüler lückenlos und ganz individuell auf Mathematik-Prüfungen in der Oberstufe und das Abitur vorbereitet. Wir glauben, dass Lernende nur wahrhaft individuell und sinnvoll unterstützt werden können, wenn man Wissenslücken und Lernpräferenzen auf detailliertestem Niveau erkennen kann. RocketTutor ermöglicht genau das. Durch Modularisierung aller abiturrelevanten Kompetenzen und den Einsatz von Lerndatenanalyse können wir genau erkennen, bei welchem Lösungsschritt Schüler:innen Schwierigkeiten haben und welches Wissen oder Kompetenzen Ihnen fehlen. Basierend darauf wird alles von Lernmaterialien bis hin zu Motivation und Darstellung von Informationen personalisiert.
Gleichzeitig können Lehrkräfte tiefe Einblicke in Wissenslücken und den genauen Lernbedarf ihres Kurses erhalten, und effizient und einfach mit Ihrem Kurs zusammenarbeiten.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Alle unsere Team-Mitglieder haben in der Rolle als Schüler:in und Tutor:in die Pain-Points (zu wenige Lehrkräfte, nur Privilegierte können zur Nachhilfe gehen…) im aktuellen Bildungssystem erlebt. Meine Mitgründer Yue und Komal auch in China und Indien, dort ist es leider noch ungerechter. Und das wollen wir mit RocketTutor zumindest teilweise lösen und alle Lernenden so gut und personalisiert beim Lernen unterstützt, als ob sie permanent von einem exklusiven Privatlehrer begleitet würden.
Aktuell fokussiert ihr Mathe als Fach, aber wäre ein ähnliches Angebot auch für Deutsch, Geografie etc. denkbar?
Mathe ist das naheliegendste Fach, da Mathe nach wie vor das größte ‚Angstfach‘ ist und hier die meiste Hilfe gebraucht wird (z. B. nehmen 60% Nachhilfeschüler Mathenachhilfe). Prinzipiell kann unser Lösungsansatz auf alle Fächer oder Themen angewendet werden, die eine Single-Source-of-Truth haben. Also zum Beispiel würde RocketTutor gut auf für das Fach Kunstgeschichte funktionieren aber nicht für das Fach Kunst.
Wie schafft ihr es, Schulen vom Nutzen eurer Lernunterstützung zu überzeugen?
Ich habe eigentlich den Eindruck, dass mittlerweile die meisten Lehrkräfte (natürlich auch nochmal speziell durch Corona) offen für digitale Tools sind.
Dazu kommt, dass viele Lehrkräfte viele der Dinge die unser Programm kann z. B. das Heraussuchen von Abi-Aufgaben, die zum aktuellen Kapitel und bisher behandeltem Stoff passen oder die Auswerten der genauen Wissenslücken des Kurses, bisher händisch mit viel Zeitaufwand machen und eigentlich aber auf der Suche nach einem Tool sind, das genau das für sie automatisiert macht. Und bisher glaube ich, dass es für die Oberstufe schlicht kein vergleichbares Tool gibt.
Wichtig ist außerdem, dass a) die Qualität passt und Inhalte auf das jeweilige Bundesland abgestimmt sind und, b) (ganz wichtig für den Einsatz in der Schule) dass digitale Tools leicht zu bedienen sind und Lehrkräften Arbeit abnehmen und zeitsparen. Der zweite Punkt ist super wichtig. Ein Tool kann noch so intelligent und eigentlich hilfreich sein, wenn aber sich Lehrkräfte erst mühsam in das Tool einarbeiten müssen, dann wird es schlicht nicht genutzt, weil Lehrkräfte einfach viel zu wenig Zeit haben und schon eine Vielzahl von verschieden Tools jonglieren müssen.
Für den ersten Punkt hilft uns sicherlich, dass Herr Prof. Obersteiner, Lehrstuhlinhaber für Didaktik der Mathematik an der Technischen Universität München, die Mentorenrolle unseres Projekts übernommen hat.
Beim zweiten Thema können wir dadurch punkten, dass wir eine möglichst übersichtliche und intuitive UI haben, uns auf die wesentlichsten Funktionen beschränkt haben und es schaffen, dass Nutzer:innen (Lehrkräfte und Schüler:innen) mit nur wenigen Klicks sofort ’startklar‘ sind.
Bisher seid ihr noch auf Bayern konzentriert, wann gibt es RocketTutor bundesweit?
Da die meisten von uns an der TUM studiert haben und Prof. Obersteiner auch über ein weites Netzwerk an Schulen in Bayern verfügt, war Bayern die erste Wahl. Unser System und unser Wissensgraf sind aber so universell ausgelegt, dass es uns möglich ist, innerhalb von kürzester Zeit auf neue Bundesländer oder auch andere Länder ausgeweitet zu werden. Zum Beispiel haben wir innerhalb eines Monats bereits 200 Abiturteilaufgaben aus dem Bundesland NRW ins System eingepflegt, (teil)-automatisiert Lösungen erstellt und diese mit unserem Wissensmodell gekoppelt.
Ende Februar ist RocketTutor dann auch in NRW einsatzfähig. Ende 2023 in ganz Deutschland.
Wie unterstützt eure Uni euch? Und welche Rolle spielen Herr Professor Obersteiner als euer Mentor?
Wir haben schon während dem Studium angefangen, RocketTutor zu entwickeln. Unser großes Glück war dann, dass wir das EXIST-Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bekommen haben und uns jetzt seit fast einem Jahr in Vollzeit RocketTutor widmen können. Herr Obersteiner und sein Forschungsteam setzen sich wöchentlich mit uns zusammen und arbeiten am Wissensgraf und dem didaktischen Konzept. Darüber hinaus hat uns Prof. Obersteiner einige super fleißige Lehramtsstudierende an die Seite gestellt.
Unabhängig von Herrn Prof. Obersteiner unterstützt die TUM Gründer und Gründerinnen mit vielen weiteren Programmen finanziell oder thematisch. Wir haben beispielsweise ein Büro im TUM-Inkubator bekommen.
Wie finanziert ihr euch?
Wie sind mit dem EXIST-Stipendium gestartet. Das Stipendium zahlt ein Basisgrundgehalt an das Gründungsteam und gibt etwas Budget, z. B. für Freelancer:innen oder Werkstudierende.
Mittlerweile haben wir zwei Investoren an Board, die wie wir an unsere Idee von individueller Lernunterstützung für alle glauben. Darüber hinaus haben wir einige bezahlende Schüler:innen. Wichtig ist hierfür, dass mehr als 90 % unseres Systems allen (Schüler:in und Lehrkraft) kostenlos zur Verfügung stehen, das ist uns ganz wichtig. Darüber hinaus gibt es ein paar Zusatz-Funktionen, wie z. B. eine Abitursimulation mit gezielter Auswertung, die einzelne Schüler:innen hinzubuchen können.
Wie nehmt ihr die große Diskussion um AI und aktuelle Beispiele wie ChatGPT wahr?
Ich glaube, dass Technologien wie z. B. ChatGPT ein enormes Potential haben, um Bildung zu demokratisieren und unsere Vision von individueller, bester Lernunterstützung zu verwirklichen.
Wir haben bereits eine Alpha-Version unseres Systems fertig gestellt, die ChatGPT in unser System integriert. Hier steht ein intelligenter Chatbot zu jeder Frage direkt im System zur Verfügung. Aktuell ist es aber leider noch so, dass die Qualität der Antworten noch nicht optimal ist. Wir trainieren deshalb das GPT-3-Modell mit unserem Fundus an Aufgaben und Erklärungen, damit GPT wirklich zur exklusiven, allwissenden Privat-Nachhilfelehrkraft wird, die alle unsere Nutzer:innen permanent begleitet.
Wie geht es bei euch weiter, was sind die nächsten Schritte?
Zunächst wollen wir RocketTutor allen Lehrkräften und Schüler:innen in NRW zur Verfügung stellen. Parallel arbeiten wir daran, dass wir noch automatisierter Inhalte prozessieren und erstellen können, um noch schneller unser Angebot auf andere (Bundes)-Länder auszuweiten. Auf der anderen Seite arbeiten wir permanent daran, unsere Lernerfahrung noch individueller und motivierender zu gestalten, sodass wirklich alle Lernenden mit uns Ihre persönlichen Ziele erreichen!
Mehr Infos zu RocketTutor findet ihr auf der offiziellen Website des jungen Unternehmens.