talking hands – mit Daumenkinos Gebärden lernen
Wie können sich Kinder ausdrücken, wenn sie die entsprechenden Worte (noch) nicht sprechen? Gebärden können dabei helfen, die Kommunikation zu unterstützen. Das Frankfurter Start-up talking hands will jungen Menschen mit Daumenkinos einzelne Gebärden beibringen, damit sie sich leichter mitteilen können. Wir haben mit der Co-Gründerin Maria Möller über ihr Projekt gesprochen.
Kannst du die Idee hinter talking hands kurz erläutern?
Wir verwandeln einzelne Gebärden in Daumenkinos, um Kindern spielerisch Gebärden zur unterstützten Kommunikation beizubringen. Wir haben mittlerweile ca. 150 verschiedene Daumenkinos, die den Grundwortschatz von Kindern abbilden mit Begriffen wie beispielsweise „Mama“, „Papa“, „Milch“ und „spielen“. Das Daumenkino ist das perfekte Medium, um Gebärden abzubilden, weil es Bewegung zeigt und dabei keine technischen Hilfsmittel braucht.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Letztendlich durch die Schwester meiner Mitgründerin Laura. Lauras Schwester heißt Jami und hat das Down-Syndrom. Da Kinder mit Down-Syndrom erst später sprechen lernen als andere Kinder, sind Gebärden ein wichtiger Teil der frühkindlichen Bildung, um eben die Kommunikation der Grundbedürfnisse sicherzustellen – auch wenn es lautsprachlich noch nicht klappt. Unser Anliegen war es, eine spielerische Methode zum Erlernen der Gebärden zu entwickeln, damit alle Kinder gemeinsam Gebärden lernen. Letztlich ist das Ziel, Inklusion zu fördern.
Wen wollt ihr damit in erster Linie erreichen, für wen eignen sich eure Produkte?
Unsere Produkte eignen sich für alle Menschen. Jeder kann spielend leicht und vor allem schnell Gebärden lernen mit unseren Daumenkinos. Besonders wichtig sind sie für Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung. Also für Kinder mit Down-Syndrom oder Autismus. Auch für Kinder, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, weil sie zu Hause eine andere Sprache sprechen, bieten Gebärden eine Kommunikations-Möglichkeit in Kitas und Schulen. Gebärden werden auch von Logopäd:innen eingesetzt, da sie den Spracherwerb fördern. Kinder können sich nämlich Worte und deren Bedeutung besser einprägen, wenn man sie dabei visuell durch Gebärden unterstützt.
Was war für euch die größte Herausforderung bei der Entwicklung eurer Produkte?
Wir haben ein halbes Jahr lang gemeinsam mit der Kita „Grüne Soße“ die Daumenkinos in verschiedenen Formaten ausprobiert. Wir mussten die richtige Größe der Büchlein ausfindig machen und das richtige Papier finden, damit Kinder gut blättern können. Aber die meiste Arbeit steckt in der Animation der Gebärden. Laura illustriert alle Gebärden selbst – das dauert natürlich und ist viel Arbeit. Zusätzlich versteckt sie immer kleine Merkhilfen in den Zeichnungen. Beispielsweise hat die Figur, welche die Gebärde für „Kuh“ zeigt, einen Pulli mit Kuhflecken an. Die Figur für die Gebärde „Schwein“ hat eine Ringelschwanzfrisur.
Daumenkinos wirken heutzutage ja fast aus der Zeit gefallen – warum habt ihr euch dafür entschieden, zunächst auf einen analogen Vermittlungsweg zu setzen?
Uns war es wichtig, ein analoges Medium zu kreieren, da Gebärden vor allem in Kitas den Alltag erleichtern können. Viele Kitas sind aber noch nicht digital ausgestattet. Außerdem lädt das Daumenkino zum Entdecken ein, fasziniert Kinder und verwandelt das Lernen in Spaß. Zusätzlich werden die motorischen Fähigkeiten der Kinder gestärkt.
Ihr betont, dass eure Daumenkinos und anderen Artikel auch die Integration erleichtern können, wie funktioniert das?
Durch die Daumenkinos werden Kommunikationswege geschaffen – abseits der Lautsprache. Das ist extrem wichtig, da nicht jedes Kind lautsprachlich kommunizieren kann. Damit Kommunikation zwischen den Kindern und auch zwischen den Erwachsenen stattfinden kann, müssen alle gemeinsam Gebärden lernen. Hier setzen wir an. Da Gebärden den Spracherwerb fördern, hilft es eben auch in Kita- oder Schulgruppen, in denen Kinder sind, die noch die deutsche Sprache lernen müssen.
Wie international ist euer Angebot? Gebärdensprachen unterscheiden sich ja weltweit zum Teil erheblich.
Die Gebärden, die wir in unseren Daumenkinos abbilden, basieren auf der Deutschen Gebärdensprache. Da die Gebärdensprache, wie auch die Lautsprache, in den Ländern unterschiedlich ist, müssen wir die Animationen auf das jeweilige Land anpassen. Aktuell konzentrieren wir uns noch auf Deutschland. Wir planen aber auch eine Expansion in weitere Länder.
Ihr habt mittlerweile auch eine App im Angebot – was versprecht ihr euch davon und was waren die Herausforderungen bei der Entwicklung?
Die App haben wir gebaut, da oftmals das Feedback der Kitas kam, dass Eltern gerne auch zu Hause mit den Kindern Gebärden lernen möchte. Nicht jeder hat aber den Platz oder das Budget für eine große Daumenkino-Sammlung. Auch für Unterwegs eignet sich die App prima für den sinnvollen Zeitvertreib. Wir haben also die App so konzipiert, dass sie eine Ergänzung zu den Daumenkinos darstellt. Die Gebärden-Sammlung in der App wächst schnell und wir bieten dort spannende Lernspiele wie das Gebärden-Memo oder das Buchstabierspiel an. Die Herausforderung bei der App war, sie so zu bauen, dass alle Altersstufen sie benutzen können und wollen. So haben wir beispielsweise Bereiche gebaut, in denen man sich auch zurechtfindet, wenn man noch nicht lesen kann. Wir hoffen, dass wir mit der App noch mehr Menschen erreichen und möchten den Einstieg ins Gebärden-lernen so niedrigschwellig wie möglich machen.
Wie finanziert ihr euch? Verkauft ihr schon genug, habt ihr Investor:innen gefunden, Förderungen akquiriert oder setzt ihr noch voll auf eigenes Geld?
Als wir talking hands gegründet haben, waren wir noch ganz auf uns alleine gestellt. Wir haben unsere Sparkonten geplündert, um die Gründung und die erste Auflage zu finanzieren. Als klar war, wie gut die Daumenkinos in den Bildungseinrichtungen ankommen und wir die App-Planung im Kopf hatten, haben wir eine Finanzierungsrunde abgeschlossen, um das auch umsetzen zu können. Für unsere App haben wir zusätzlich noch eine Förderung vom Hessischen Wirtschaftsministerium im Rahmen des Push-Stipendiums bekommen.
Was sind die nächsten Schritte für euch und wohin wollt ihr Talking Hands langfristig führen?
Wir werden unsere App weiterausbauen, d. h. es wird bald viele weitere Lernspiele und Lernsessions geben. Außerdem möchten wir weitere physische Spiele entwickeln, die Inklusion im Bildungsbereich fördern. Wir arbeiten eng mit Pädagog:innen und Logopäd:innen zusammen, um genau herauszufinden, an welcher Stelle und mit welchen Lösungen wir am besten helfen können.