Titelbild zu Startchancen Konkret 3, Thema Bildungsgerechtigkeit. Links eine Schulklasse, rechts eine Illustration zu Ungleichheit

Bildungsgerechtigkeit: „Wir müssen grundlegende Strukturen ändern“

Bietet das Startchancen-Programm wirklich wirksame Hilfen für abgehängte Kinder und Schulen? Was ist notwendig, um Bildungsgerechtigkeit herzustellen? In unserem Live-Talk STARTCHANCEN KONKRET haben wir moderiert vom Bildungsjournalisten Christian Füller mit der Lehrerin und Autorin Lisa Graf darüber gesprochen, wie die Zeitenwende bei der Bekämpfung von Bildungsarmut gelingen könnte. Eingangs konnten wir zudem mit Julian Dorn von schulKI.de unseren neuen Startchancen Navigator vorstellen, der mit einem Chatbot und weiteren Materialien Orientierung und Hilfe zum Startchancen-Programm bietet.

Kernsanierung des Schulsystems: Radikale Änderungen gefordert

Lisa Graf, die fünf Jahre an Gymnasien, Haupt- und Realschulen unterrichtet hat, betonte die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Schulsystems. „Wir sollte keine weiteren Pflaster auf das System kleben, sondern wir müssen grundlegende Strukturen ändern,“ so Graf. Sie plädierte für Mut zu radikalen Veränderungen und warnte davor, in alten Mustern zu verharren. „Wenn wir wollen, dass unser Schulsystem gerecht wird, müssen wir einen Neubeginn wagen,“ betonte sie.

Lisa Graf, Lehrerin und Autorin

Selbstwirksamkeit als wichtige Schlüsselkompetenz

Ein zentrales Thema des Talks war die Bildungsgerechtigkeit. Graf, die selbst aus einem nicht-akademischen Haushalt stammt, berichtete von ihren eigenen Erfahrungen: „Ich habe als Kind nicht die Teilhabe erfahren, die junge Menschen bekommen sollten.“ Sie unterstrich die Bedeutung der Selbstwirksamkeit als eine oft unterschätzte Fähigkeit, die besonders Kindern in Armut fehle. Die sei notwendig, um eigene Ziele zu formulieren und an ihnen dranzubleiben. Das werde von Lehrkräften noch häufig unterschätzt. „Ein Kind kann nur mit irgendeiner Form von Bezugsperson selbstwirksam werden,“ so Graf. Für Bildungsgerechtigkeit sei Selbstwirksamkeit eine Schlüsselkompetenz.

Multiprofessionelle Teams statt technischer Lösungen

Über das Startchancen-Programm von Bund und Ländern bekommen zunächst rund 2.000, langfristig 4.000 Schulen zusätzliche Mittel bereitgestellt. Auf die Frage, was sie mit größerem finanziellen Spielraum anschaffen würde, antwortete Graf: „Wir brauchen multiprofessionelle Teams an Schulen.“ Eine Mischung aus Pädagog:innen, Psycholog:innen und anderen Fachkräften sei essenziell, um den individuellen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Notwendig seien zunächst „nicht ein Haufen iPads, sondern Menschen, die mit den Kindern und den Familien zusammenarbeiten,“ erklärte sie und sprach sich gegen eine einseitige Fokussierung auf technische Lösungen aus. Wenn eine Schule schon Personalnot habe, sei es oft schwierig, sich noch mit neuen digitalen Tools zu befassen.

Stärkere Zusammenarbeit der Schulen hilft bei Bildungsgerechtigkeit

Graf wies darauf hin, dass das Startchancen-Programm zwar finanzielle Mittel bereitstelle, man aber trotzdem sehen müsse, wie viel neues qualifiziertes Personal man davon einstellen und gerecht bezahlen könne. Sie warnte allerdings davor, gleich wieder alles pessimistisch zu sehen – es gäbe schon jetzt sinnvolle Lösungsansätze. So könnten Schulen beispielsweise Ressourcen durch die stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit untereinander effizienter nutzen.

Grenzen des Startchancen-Programms

Die frühere Lehrerin machte deutlich, dass das beste Bildungssystem allein nicht garantieren könne, allen Kindern die gleichen Chancen zu gewähren, da familiäre Einflüsse eine entscheidende Rolle spielten. Dies sei jedoch keine Ausrede, das Bildungssystem nicht zu reformieren. Zudem müsse man neben Schulleitungen, Lehrkräften und Familien auch die Schulaufsichten als wichtige Instanz berücksichtigen.

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