Startchancen Konkret 6 - ein zweigeteiltes Bild, links eine Gruppe Schüler:innen um einen Laptop, rechts eine Illustration einer Datenanalyse

“Das Startchancen-Programm ermöglicht erstmals Anbietern wie uns eine Nische”

Das Startchancen-Programm von Bund und Ländern unterstützt langfristig rund 4.000 Schulen in Problemlagen. Ein Hauptziel: Die Kernkompetenzen der Kinder in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen zu stärken. Aber wie misst man den Lernstand der Schüler:innen außerhalb der klassischen Notengebung? Welche Tools gibt es dafür – und was bringt das? Im Talk mit dem Bildungsjournalisten Christian Füller erklärte Dr. Ekkehard Thümler, wie seine Non-Profit-Organisation Tutoring for All dieses Thema anpackt, wie Kinder davon profitieren und wo die Grenzen digitaler Diagnostik liegen.

Braucht das Startchancen-Programm mehr Geld?

Die Diskussion begann mit einer aktuellen Frage: Wie sollte das neue Sondervermögen, das CDU/CSU und SPD durchsetzen wollen, für Bildungsprojekte genutzt werden? Laut Ekkehard Thümler habe man jetzt „natürlich die Gelegenheit, noch mal ein ganz anderes Gewicht auf die Waage zu bringen.“ Der Aufbau des Startchancen-Programms (SCP) habe teilweise dazu geführt, dass bereits bestehende, wertvolle Bildungskooperationen nicht weitergeführt wurden. Er plädierte dafür, neues Geld nicht nur in das SCP zu lenken, sondern auch zur Stärkung bestehender Projekte einzusetzen.

Auf die Frage Christian Füllers, was der Interviewgast denn im größeren Stil mit viel Geld für Bildung anstellen würde, fielen Ekkehard drei zentrale Vorhaben ein:

  1. Eine Innovationsagentur für Bildung, die mit der Technologieagentur SPRIND vergleichbar ist.
  2. Eine Bildungsinitiative für so genannte 100%-Schulen, die garantieren können, dass ihre Schüler:innen am Ende der Schullaufbahn die Basiskompetenzen beherrschen.
  3. Eine starke finanzielle Förderung für EdTech-Startups, die innovative Bildungsansätze entwickeln.
Dr. Ekkehard Thümler von Tutoring for All
Dr. Ekkehard Thümler von Tutoring for All (Foto: Gerrit Meier)

Innovation statt Eigenentwicklungen: Was Schulen wirklich brauchen

Ein markantes Diskussionsthema: Die staatliche Praxis, immer wieder eigene digitale Lösungen zu entwickeln und entwickeln zu lassen, anstatt bestehende, bewährte Systeme zu nutzen – beispielsweise von innovativen Bildungs-Start-ups. „Das ist Denken von gestern“, kritisierte Ekkehard und forderte ein Umdenken. Viele internationale EdTech-Lösungen funktionieren bereits hervorragend und könnten direkt in Schulen eingesetzt werden, ohne dass Deutschland das Rad neu erfinden müsse.

Echtzeit-Monitoring: Wie funktioniert digitale Lernstandserfassung?

Ein spannendes Beispiel für eine digitale Lösung ist Ekkehards eigenes Tool von Tutoring for All, das nicht nur Lernstände erfasst, sondern auch adaptive Aufgaben und gezielte Unterstützung durch Tutor:innen ermöglicht. „Man muss sich das ein bisschen wie ein Computerspiel vorstellen“, erklärte er. Kinder durchlaufen Tests, werden in kleine Gruppen eingeteilt und arbeiten sich durch Aufgaben mit ansteigender Schwierigkeit. Elemente wie Lückentexte, interaktive Geschichten und Leseübungen sorgen dabei für eine motivierende Lernumgebung.

Ein Vorteil: Die Plattform kann mit einer Vielzahl an Begleitpersonen genutzt werden, darunter Lehrkräfte, Ganztagsbetreuer:innen oder Ehrenamtliche. „Um Schulen herum gibt es zehntausende Personen, die Lese- und Sprachförderung anbieten können. Ihnen geben wir unsere Plattform an die Hand.“ Die Kosten? 2.500 Euro pro Schule und Jahr – unabhängig von der Anzahl der geförderten Schüler:innen.

Die Anwendung von Tutoring for All gibt Kindern einen spielerischen Zugang zum Lesen (Quelle: Tutoring for all)

Wohin steuert das Startchancen-Programm?

Trotz seiner grundsätzlichen Unterstützung für das SCP bleibt Thümler realistisch: „Der Großteil der Gelder wird versickern. Aber wenn wir es richtig machen, kann daraus etwas Gutes entstehen.“ Er sieht Chancen in entstehenden Nischen, in denen gezielte Innovationen erfolgreich sein könnten. Sein Wunsch? Eine umfassende Bildungsinitiative, die sich nicht nur auf einzelne Projekte, sondern auf 100 % der Schulen konzentriert – und damit jedem Kind eine echte Bildungschance bietet.

Aufzeichnung unseres Startchancen-Talks mit Dr. Ekkehard Thümler

Fazit: Digitalisierung als Chance, nicht als Selbstzweck

Das SCP könnte Schulen in Deutschland nachhaltig verändern – wenn es gelingt, bewährte digitale Lösungen klug einzusetzen und nicht in staatlichen Eigenentwicklungen zu verharren. Thümler sieht die Zukunft in einer intelligenten Vernetzung von Diagnostik und individueller Förderung: „Es werden Nischen entstehen, in denen Dinge gelingen.“ Entscheidend wird sein, diese Nischen gezielt zu vergrößern – für eine Bildungslandschaft, die allen Kindern die gleichen Chancen bietet.

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